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Dieter Hildebrandt

23. Mai 1927 – 20. November 2013

 

Das Kabarett ist tot

 

Er war das gute Gewissen aller anständigen, kritikfähigen Bürger. Im Sommer bekam er die Krebsdiagnose. Nur seine engsten Freunde wussten davon – und haben dichtgehalten: Keine penetranten Schlagzeilen in der Presse, kein wochen- oder monatelanges Breittreten über die Erkrankung des prominentesten deutschen Kabarettisten. Dieter Hildebrandt starb in der Nacht auf den 20. November 2013.

Foto: Christoph Vohler

Der so oft bemühte Spruch „Deutschland ist ein wenig ärmer geworden“ trifft in diesem Fall endlich wieder einmal zu. Oder fassen wir den Tod von Dieter Hilde- brandt in einem Wort zu- sammen: VERLUST!

Gemeinsam mit Samy Drechsel hatte Hildebrandt 1956 die Münchner „Lach- und Schießgesellschaft“ ge- gründet – ein Kabarett, das über die Jahre hinweg die einzig wirkliche politische Opposition in Deutschland war.


Der scharfzüngige Hildebrandt hat sie alle angegriffen – zunächst die Bonner, später die Berliner Politgroßmeister. Eines seiner vielen Zitate: „Politik ist nur der Spielraum, den die Wirtschaft ihr lässt.“

Franz Josef Strauß zeihte ihn einstmals der „politischen Giftmischerei“. Gut so, denn die Politik hatte – und hat immer noch – jede nur erdenkliche Kritik verdient. Ein politischer Giftmischer: Das wog mehr als die Verleihung eines Adelstitels. Hildebrandt konnte damit umgehen, seine lllusionen hatte er früh abgelegt. „Zurückdenkend an all die Jahre, in denen Politiker uns ihrer Sympathie versichert haben, fühle ich mich abgeliebt, übertölpelt, reingelegt.“

 

Meinungsabschaltung


Wann immer er konnte, hat er verbal zugeschlagen: in der „Lach- und Schieß“, im TV bei den „Notizen aus der Provinz“ – und natürlich beim „Scheibenwischer“. Dabei erfuhr er sogar eine der höchsten Auszeichnungen überhaupt: Der Bayerische Rundfunk hatte in seinem Sendebereich eine „Scheibenwischer“-Sendung (der ARD) wegen „nicht ge- meinschaftsverträglicher Elemente“ kurzerhand abgeschal- tet. Ein übler Ausbund an Zensur! Und die kam übrigens immer nur von den Unionsparteien!

Aber konnte es für einen Kabarettisten höhere Weihen als das Abschalten der Meinung geben? Das recht öffentliche Fernsehen, von uns Gebührenzahlern am Luxus-Leben erhalten, spielte immer geschmeidig mit. Zitat von Dieter Hildebrandt: „Die ARD macht sich in jede Hose, die man ihr hinhält. Und die Privaten senden das, was drin ist.“ Klingt ganz so, als hätte er es heute gesagt.

Obwohl es in letzter Zeit in der Öffentlichkeit etwas ruhiger um ihn geworden ist – er selbst war keineswegs ruhiger. Seine jüngste Aktivität: Mit dem Karikaturisten Dieter Hanitzsch stellte er das Online-Kabarett-Projekt „Störsen- der.tv“ auf die Beine. Widerspruch und Kampf bis zuletzt. Dabei Visionär: „Das Kabarett von morgen wird eine Art satirischer Nachhilfeunterricht in Politik sein.“

Das TV-Kabarett heute: hysterische Tiraden ohne DH-Feinschliff und -Gnadenlosigkeit, nettes und sauberes Anprangern belangloser Alltäglichkeiten. Und dann gibt es, Gott sei Dank, noch Welke im ZDF – den einzig legitimen Nachfolger von Dieter Hildebrandt.

Erlauben Sie uns dennoch eine Schlussbemerkung:

Das Kabarett ist tot! Es lebe Dieter Hildebrandt!

 

Fred König

 

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