Ziemlich löchrig
Wir denken ja positiv und hoffen auf eine baldige neue und vor allem entspanntere Golfsaion. Doch eine Frage bleibt: Weshalb hat man als Golfer manchmal so viel Respekt vor etwas, das vor einem liegt und materiell gesehen eigentlich eine totale Null ist? Da bringt man den Ball mit passablen Schlägen bis auf's Grün, und dann steht man plötzlich vor diesem gefährlichen Nichts – dem Loch, das vehement jede Kugel von sich fernzuhalten versucht, egal ob aus 50 Zentimeter oder fünf Meter.
Der von mir hoch verehrte Journalist und Schriftsteller Kurt Tucholsky spielte nicht Golf; zu seinen Lebzeiten war dieser Sport in Deutschland ja noch nahezu unbekannt. Und dennoch verfasste „Tucho“ 1931 mit seinem Essay „Zur soziologischen Psychologie der Löcher“ ein Werk, das für Golfer auch heute noch interessante Aspekte bietet.
Geradezu wissenschaftlich begnadet stellte Tucholsky damals fest: „Ein Loch ist da, wo etwas nicht ist.“
Kurioserweise ist beim Golfspiel genau das unser Ziel, ganze 18 Mal auf jeder Runde: ein Nichts mit einem Durchmesser von 107,9 Millimeter und einer Mindesttiefe von 101,6 Millimeter. Wir grübeln dann und fragen uns: Wie bringen wir die Kugel jetzt da hinein, ohne den Score zu versauen? Dabei können Löcher ja zweifellos auch eine gewisse Magie entfalten – etwa dann, wenn beispielsweise nach einem Annäherungsschlag aus, sagen wir, 20 bis 30 Metern Entfernung der Ball noch wie magisch angezogen ins Loch rollt. Das fühlt sich dann ein wenig so an wie ein Sechser im Lotto. Aber das ist eine andere Geschichte.
Nur zwei wichtige Fragen: Weshalb gehört etwas, das materiell überhaupt nicht existiert, so entscheidend zu unserem geliebten Sport? Und weshalb wird immer wieder von herrlichen Löchern auf diesem oder jenem Platz gesprochen, obwohl damit ja zweifellos die Spielbahn, das Grün, das großartige Layout oder der landschaftliche Reiz gemeint sind und nicht dieses elende Nichts, in dem die Kugel letztendlich verschwinden muss . Keine Frage: Das Loch hat uns im Griff.
Kurt Tucholsky deckte in seinem Essay auch noch weiter auf: „Das merkwürdigste an einem Loch ist der Rand. Er gehört noch zum etwas, sieht aber beständig in das Nichts. Das Loch ist eine Grenzwache der Materie.“ Genau. Dieser Rand ist es, der uns das Putten manchmal so schwer macht. Wie oft ist er an einigen Stellen etwas eingedrückt und damit geradezu dafür geschaffen, das fast schon sichere Einlochen durch ein kleines Drehmanöver am Rand im letzten Moment zu verhindern. Also da hört der Spaß wirklich auf.
„Wenn ein Loch zugestopft wird: Wo bleibt es dann? Drückt es sich seitwärts in die Materie?“ Nein, Tucho, diese Frage können wir Golfer leicht beantworten. Es wird seiner bisherigen Nichtexistenz durch das Zustopfen beraubt und lebt an einer anderen Stelle des Grüns, ein paar Meter weiter, wieder auf. Ein Loch lässt sich gerade auf dem Grün nicht so leicht unterkriegen.
Wobei mir eben einfällt: Ich muss unsere Greenkeeper einmal fragen, was eigentlich mit der Materie passiert, die da herausgeholt werden muss, um ein neues Loch überhaupt zu schaffen.
Von Schwarzen Löchern haben wir ja alle schon mal gehört – also von denen im Universum. Ich bin allerdings auch auf Erden schon mehrere Male solchen Dingern begegnet und in ihnen eingetaucht. Etwa dann, wenn schon beim ersten Par 4 eine „8“ notiert werden musste, die Schläge denen der ersten Anfängerstunden glichen, Bälle beständig im Wasser oder Nirwana verschwanden, die Löcher beim Putten immer an der falschen Stelle lagen und die Score-Karte schließlich verschämt zerrissen wurde. Schwärzer und löchriger ging's nicht.
Machen wir uns nichts vor: Das Golferlebnis ist ein ziemlich löchriges. Aber vielleicht liegt ja gerade darin der Reiz des Spiels.