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CETA: Verstöße gegen das Grundgesetz

 

Profit vor Mensch und Natur

 

CETA steht für „Comprehensive Economic and Trade Agreement“, ein seit 2009 verhandeltes Freihandels- und Investitionsabkommen zwischen der EU und Kanada. Ein juristisches Kurzgutachten im Auftrag von attac/München kommt zu dem Schluss, dass zahlreiche Regelungen des geplanten und höchst umstrittenen Abkommens gegen das Grundgesetz und das Unionrsrecht verstoßen.

 

Dummheit oder Habgier? Oder beides? Was treibt Menschen an, Verträge oder Abkommen aushandeln zu wollen, bei denen von Anfang an ersichtlich ist, dass Recht und Gesetz (von der reinen Vernunft wollen wir hier gar nicht erst reden) auf der Strecke bleiben? Die Materie ist höchst kompliziert. Wir versuchen deshalb, die Sachlage mit nur einigen Fakten einigermaßen verständlich darzustellen.

Die Gespräche zwischen der EU und Kanada zogen sich über fünf Jahre hin. EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy: „Wir feiern das Ende der Verhandlungen.“ Ob es etwas zu feiern gibt, sei dahingestellt. Denn: Was beim CETA durchgesetzt werden soll (die Beseitigung von Zöllen und anderen Handelshemmnissen), ist eine Steilvorlage für das geplante Freihandelsabkommen TTIP zwischen der EU und den USA. Besonders umstritten ist im CETA-Papier der mehr als fragwürdige Punkt „Investitionsschutz“, der es Unternehmen ermöglichen soll, in Streitfragen vor gesonderten Schiedsgerichten zu klagen – die unabhängige Gerichtsbarkeit von EU-Staaten würde dabei schlichtweg ausgehebelt werden.

Andrea Behm (attac), Johan Horst (Gutachter, Universitätt Bremen), Dr. Fritz Glunk (Publizist)

 

attac/München, das inzwischen weltumspannende Netzwerk für soziale und ökologische Gerechtigkeit im Globalisierungsprozess, beauftragte Prof. Dr. Andreas Fischer-Lescano und Johan Horst vom Zentrum für europäische Rechtspolitik (Fachbereich Rechtswissenschaft an der Universität Bremen) mit einem juristischen Kurzgutachten, das am 30. Oktober in München bei einer stark besuchten Pressekonferenz vorgestellt wurde.

Das Gutachten beschäftigt sich unter anderem mit drei gravierenden Fragen:

 

1. Ist das CETA in seiner vorliegenden Form europarechtskonform? Beachtet es die europäische Verband- und Kompetenzordnung? Steht das CETA im Einklang mit den unionsrechtlichen Anforderungen, insbesondere auch hinsichtlich der Vorgaben der Europäischen Grundrechtecharte (GRCh)?

 

2. Ist das CETA in seiner vorliegenden Form verfassungsgemäß? Welche Vorgaben macht das Grundgesetz für ein Freihandels- und Investitionsabkommen? Wie müssen die deutschen Staatsorgane, ggf. in den Gremien der EU (wie dem Rat), die Verfassungskonformität des CETA sicherstellen?

 

3. Mit welchen rechtlichen Mitteln können die Europa- und Verfassungskonformität des CETA überprüft werden?

 

Ebenfalls auf dem Prüfstand: Ein ständiger Regulierungsrat, der sich aus Vertretern der EU und Kanadas zusammensetzt, soll gebildet und eine Schiedsgerichtsbarkeit für Investor-Staat-Streitigkeiten eröffnet werden. Es handelt sich dabei um nichts anderes als eine Art Parallelgerichtsbarkeit. Und eine solche zusätzliche Gerichtsbarkeit ist, vereinfacht ausgedrückt, mit Unionsrecht nicht vereinbar.

 

Das Ergebnis des Gutachtens ist ernüchternd. So heißt es dort unter anderem:

 

1. „Die Einführung von Investor-Staats-Schiedsgerichten im CETA verletzt das im Unionsrecht (…) und im Grundgesetz verankerte richterliche Rechtsprechungsmonopol (Art. 92 GG). Der EU fehlt zudem die Kompetenz, ein solches Verfahren auf Portfolioinvestitionen und dem Bereich der Finanzdienstleistung zu erstrecken.“

 

2. „Die CETA verletzt den verfassungs- und unionrsrechtlich verankerten Grundsatz der Demokratie durch die Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe …“

 

3. „Das CETA beeinträchtigt durch die Negativliste, die Ratchet-Klausel, die weitgehende Marktöffnung auch im Bereich kommunaler Dienstleistungen …“

 

4. „Das CETA ist vor dem Hintergrund der menschen- und umweltrechtlichen Verpflichtungen der EU und der Mitgliedsstaaten problematisch, weil es Sozial-, Arbeits-, Gesundheits- Umwelt- und Menschenrechtsstandard nicht hinreichend verankert.“

 

***

 

Schleichende Selbstermächtigung“

 

Deutliche Wort bei der attac-Pressekonferenz fand Dr. Fritz Glunk, Publizist und Gründer des politischen Kulturmagazins DIE GAZETTE:

 

Wir sind Augenzeigen einer schleichenden Selbstermächitigung der Europäischen Kommission.

Die Kommission hat in den CETA-Verhandlungen mehrfach und erheblich die ihr eingeräumten Zuständigkeiten überschritten. Diese Selbstermächtigung ist auch mit Neben- oder Abrundungskompetenzen (…) nicht von vornherein legitimiert. Das jetzt vorliegende Ergebnis, der laut Kommission ausverhandelte CETA-Vertragstext, ist daher an mehreren Stellen mit dem Primärrecht der Europäischen Union, also den Europa-Verträgen, nicht vereinbar.

Der CETA-Text ist nur der jüngste Beleg für die von der EU-Kommission seit Jahren betriebenen Kompetenzausweitung. Auch an anderem Maßnahmen wie Datenschutzreform oder Bankenabwicklung sind strukturelle Verschiebungen im Kompetenzgefüge der EU zu erkennen.

Die EU-Kommission versteht sich in dieser Überschreitung ihrer Kompetenzen ausdrücklich als Institut der Exportförderung. Im CETA sind jedoch Umwelt- und Menschenrechte nicht ausreichend und schon gar nicht als vorgehendes Recht garantiert. Aus verfassungs- und europarechtlichen Gründen ist hier Widerspruch gefordert: Die Grundrechte stehen in der deutschen Verfassung und in der europäischen Grundrechtecharta, die Exportförderung nicht.

Auch wenn das Bundesverfassungsgericht anerkant hat, dass möglicherweise „eine politische Entwicklung stattfindet, die nicht in jedem Punkt vorhergesehen werden kann“ (…), darf eine solche Entwicklung die Verbindlichkeit des EU-Rechts nicht aushöhlen oder zum „soft-law“ aufweichen.

Vor gut hundert Jahren klagte Emile Zola in der Dreyfus-Affäre die Justizbehörden des Rechtsmissbrauchs an, in der Zeitung 'Aurore', die Überschrift lautete „Ich klage an“ („J'accuse“). Vergleiche sind immer gefährlich, aber hier und heute liegt ein tatsächlicher Anfangsverdacht auf Kompetenzüberschreitung der EU-Kommission auf dem Tisch. Ob er für ein erneutes „J'accuse!“ ausreicht, wird auch von der vierten Gewalt im Staat zu entscheiden sein: den Medien.

Wenn die Europäische Union ein „Raum des Rechts“ bleiben soll, dann dürfen weder die Organe der EU noch die Staatsorgane der Bundesrepublik Deutschland dem CETA zustimmen.“

 

Nachbemerkung:

Schon das CETA ist eine harte Prüfung. Aber was haben wir erst beim TTIP zu erwarten – bei Verhandlungen mit einem Staat, in dem es milliardenschwere, politisch engagierte Unternehmer gibt, die die „Abschaffung aller Steuern, die Abschaffung staatlicher Schulen, die Abschaffung der Food and Drug Administration und der Umweltbehörde EPA sowie die Abschaffung staatlicher Hilfe an Arme“ fordern? Nachzulesen im SPIEGEL Nr. 44, Seite 97. Den berühmten Satz den Malers Max Liebermann sparen wir uns an dieser Stelle.

 

Weiterführende Informationen im Web unter:

 

www.attac.de

www.sueddeutsche.de

www.zeit.de

 

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