Erinnerung an Samoa
Billard mit dem King
Wenn man umzieht, durchforstet man viele Dinge und stößt auf solche, die man wegwirft. Gefühlte Tonnen. Beim Stöbern hatte ich eine Münze gefunden – 10 Sefulu Sene von 1967. Auf der Rückseite ein Portrait, und ringsum steht: „Malietoa Tanumafili II Samoa“. Was für eine Erinnerung.
Ich stand vor etlichen Jahren nächtelang im Billard-Salon am Münchner Oberanger und habe gezockt. Mein Partner war ein ehemaliger Fremdenlegionär, und oft wehrten wir uns mit dem Rücken zur Wand gegen die Jungs aus der Provinz, die großmäulig in den Salon kamen und die wir dann gnadenlos abgezockt haben.
Eines Tages ein Auftrag für eine Samoa-Reportage; natürlich sollte das kultivierte Western Samoa und nicht das weniger angenehme American Samoa vorgestellt werden. Den Kontakt hatte mein inwischen leider verstorbener Freund Gerd Schwegmann hergestellt, der einzige adoptierte Sohn des Königs von Samoa.
Am Flughafen von Apia holte uns Königssohn Laupepa ab, roter Teppich und Limousine und die ganze Zeremonie eines offiziellen Empfangs. Danach die Fahrt ins königliche Domizil (erbaut von „Schatzinsel“-Autor Robert Louis Stevenson). Bei der Ankunft das Klacken von Billard-Kugeln gehört, dem Klang nachgegangen – und einen noblen älteren Herrn in der traditionellen Lava-Lava am klassischen 3-Band-Billardtisch entdeckt.
Ich (nach angemessener Vorstellung): „Das ist ja toll. Billard auf Samoa. Haben Sie Lust auf ein Spiel?“
Er: „Sehr gerne.“
Ich: „Bin gerade angekommen. Ziehe mich nur schnell um und bin gleich wieder da.“
Er (lächelnd): „Ich warte gerne.“
War dann auch kurz darauf wieder bei ihm – und wir haben gespielt und gespielt, wobei es auf seiner Seite durchaus spielerische Defizite gab.
Er: „Ich freue mich sehr, endlich einen Spielpartner zu haben. Es gibt hier niemanden, der Billard spielt.“
Ich: „Wenn ich Ihnen den einen oder anderen Tipp geben darf?“
Er: „Das kann mein Spiel nur verbessern.“
Nach etwa zwei Stunden kam Freund Gerd in den Billard-Salon und näherte sich mit leichten Verbeugungen meinem Spielpartner. Die beiden umarmten sich schließlich und begaben sich in einen Nebenraum, ich spielte inzwischen weiter Billard. Nach rund einer Stunde kam Gerd in den Salon zurück und sagte kurz und knapp: „Er dankt dir sehr für die Lektion, die du ihm erteilt hast. Und er würde sich freuen, wenn ihr nochmal zusammen spielen würdet.“
„Klar“, sagte ich, „wir sind ja noch ein paar Tage hier. Es macht mir ja auch selbst Spaß. Und er ist ein ausgesprochen sympathischer Typ. Wer ist das eigentlich?“
Gerd grinste: „Das ist mein Vater, der König von Samoa.“
Und da blieb mir erstmal die Luft weg. Wer hat schon mal mit dem König von Samoa Billard gespielt? Und es gab in den nächsten Tagen noch einige andere Spiele.
Nach drei Wochen war ich zurück in München, ging ein paar Tage später in den Billard-Salon am Oberanger. Frage des Saal-Chefs: „Mann, wo warst du so lange?“ Ich (bescheiden grinsend): „Ach, auf Samoa, habe dort mit dem König Billard gespielt.“ Er: „So a Schmarrn, und wo warst jetzt wirklich?“ Was hätte ich darauf antworten sollen …?
Fred König